Trostcafé

Drei Fragen an Jasmin Pohlmann

 Jasmin Pohlmann, 38 Jahre, arbeitet als Sozialpädagogin in der Stiftung Linerhaus und wohnt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Oppershausen.
Mit ihrer Freundin Jeannette Münchow bietet sie ab April in unserer Gemeinde einmal im Monat ein “Trostcafé” an. Dieses Angebot richtet sich an alle Menschen, die einen Ort suchen, an dem sie mit ihrer Trauer in allen Facetten verstanden werden. Dabei spielt es keine Rolle, wie lange der Trauerfall her ist oder ob eine Zeit der Trauer vielleicht in absehbarer Zeit bevorsteht.
Jeder ist herzlich willkommen!

Jasmin, was hat dich dazu bewegt, dich mit dem Thema Trauer zu beschäftigen und das "Trostcafé” in unserer Gemeinde als Treffpunkt für Trauernde anzubieten?

Nach dem frühen Tod unseres ersten Kindes 2017 habe ich mich in meiner Situation sehr verloren und unverstanden gefühlt. Es gab wenige bis keine Anlaufstellen in der Nähe, die zu meinem Bedürfnis nach Austausch gepasst hätten. Im Zuge dessen kam der Gedanke, dass ich irgendwann einen „guten Ort“ für Menschen in Trauersituationen anbieten möchte, an dem sich jeder in seiner individuellen Trauer gesehen und verstanden fühlen kann. Während der Elternzeit mit meinem dritten Kind habe ich mich dann weiterqualifiziert und die Weiterbildung zur Traumafachberaterin absolviert. 

Im vergangenen Jahr habe ich dann meinen Vater, bis zu seinem Tod, im Hospiz begleitet. Schon währenddessen und im Anschluss wurden die Pläne für das Trostcafé dann immer konkreter. Zudem hatte ich eine tolle Mitstreiterin gefunden, die auch aus einem schweren Verlust etwas Hilfreiches entstehen lassen wollte. Jeannette Münchow, mit der ich den Treff gemeinsam anbiete, hat zusätzlich die “Letzte Hilfe”-Ausbildung in einem Hospiz abgeschlossen. 

Was möchtest du Menschen, die um einen geliebten Menschen trauern, mit auf den Weg geben? 

Das Wichtigste: Die Trauer ist so in Ordnung, wie sie ist, man macht nichts falsch und sie ist nicht unser Feind. 

Trauer ist ein wichtiges und leider oft vernachlässigtes Gefühl und eine logische Reaktion auf einen Verlust. Es ist wichtig, dass die Trauer angenommen wird und wir ihr die Hand reichen. Sie will nur das Beste für uns.

Früher hat man versucht, die Trauer in Phasenmodelle zu pressen. Diese gelten heute allerdings als überholt. Es gibt ihn nicht, diesen einen Ablauf, denn jeder trauert anders. Es gibt keine Norm und kein „so sollte das aber sein“. 

Ein für mich tröstlicher Gedanke ist immer, dass Trauer auch Liebe ist. Deswegen müssen wir keine Angst vor ihr haben. 

Auch müssen wir die Verstorbenen nicht loslassen, so wie man es früher geraten hätte. Man kann sie durch „Rituale“ oder „Gespräche“ weiter in sein Leben integrieren. Sie dürfen einen neuen Platz einnehmen, dessen Umfang wir selbst bestimmen können.   

Je eher wir es schaffen, die Trauer als normales Gefühl anzunehmen und nicht die Energie aufwenden, uns dagegen zu stellen, desto besser kommen wir in die Situation, den Verlust in unser Leben zu integrieren. 

Durch den Verlust eines geliebten Menschen entsteht eine Art “schwarzer Krater", der auch bestehen bleibt und nicht gefüllt werden kann. Aber mit der Zeit entsteht um ihn herum Neues. Neue Momente und Erfahrungen, die wieder schön sein können und dürfen.

Außerdem ist es hilfreich, sich mit Menschen in ähnlichen Situationen auszutauschen, da das Verständnis oft ein anderes ist. Und diese Gelegenheit soll das "Trostcafé” bieten, ein Ort, wo man mit jeder Emotion willkommen ist. Lachen gehört genauso dazu wie weinen. Trauer ist halt nicht nur schwarz, sondern bunt.

Was würdest du Menschen raten, die Trauernde in ihrem Umfeld haben?

Zuallererst: Ihr seid absolut wichtig für einen guten Trauerprozess! Passt aber auch auf euch auf, man kann nur gut unterstützen, wenn man auf sich und seine Bedürfnisse achtet. 

Freunde und Bekannte sind oft mit den Trauernden überfordert. Das ist okay und normal. Daher ist es hilfreich, die eigene Hilflosigkeit zu formulieren und nicht aus Unsicherheit mit gut gemeinten Floskeln oder Tipps um die Ecke zu kommen. Dies meint zwar keiner böse, erzeugt bei Trauernden aber oft den „jetzt muss es mir aber auch mal wieder besser gehen“ Druck. Es kann aber erst besser gehen, wenn man auch trauern darf und sich nicht alle um einen herum sofort den Menschen zurückwünschen, der vor dem Verlust existierte. Der Wunsch ist verständlich, aber für die Trauernden nicht umsetzbar.

Ich kann empfehlen, auf die Trauernden zuzugehen und nicht aus Angst den Kontakt zu vermeiden. Oft wissen Trauernde sehr genau, was ihnen gerade gut tun würde. Dieses zu erfragen und die Antwort nicht in Frage zu stellen kann sehr hilfreich sein. 

Eine Einladung zum Essen z.B. sollte nicht aus Vorsicht oder Angst unausgesprochen bleiben. Wenn der oder diejenige noch nicht so weit ist, wird er/sie es sagen. Eine Ablehnung, auch eine mehrfache, sollte man nicht persönlich nehmen.

Die Übernahme von alltäglichen Dingen kann ebenfalls sehr entlastend sein. Ein vor die Tür gestelltes Essen oder die Übernahme eines Einkaufs können gerade in der ersten Trauerzeit eine große Hilfe sein. 

Ferner kann es einen Unterschied machen, ob ich Mitleid oder Mitgefühl für die Trauernden empfinde. Mitleid macht uns und die Trauernden noch handlungsunfähiger. Für viele kann es daher eine Wohltat sein, mal wieder ganz normal behandelt zu werden, fühlen sich die Trauernden ja ohnehin schon, als ob sie aus der Welt gefallen sind. Mit Zeit, Mitgefühl und wohlwollenden Menschen um einen herum, können die Trauernden irgendwann wieder zurück finden in ein neues, lebenswertes, aber anderes Leben. 

Das Interview hat Claudia Kaufung geführt.